Spazierfahrt in Sarskoje Selo

Zu Zeiten eines Maien
von völlig schönen Tagen
als rings der Schatten Reihen
Im glasigen Wasser lagen,

Und rings im Spiegelbilde
Die Ufer samt den hohen
Gebäuden der Heroen
Von Themis im Gefilde
Des Ruhmes aufgebaut,
Da, in des Abends Kühle
Und bei der Schwäne Laut,
Voll heiterster Gefühle
Von aller Welt entrückt,
Da fuhren wir spazieren
Und waren mit Pleniren
Im Schaukelkahn entzückt.

Wir glitten auf dem Teiche
Sie saß am Heck, indessen
War ich mitin'n gesessen.
Bei jedem Ruderstreiche
Flog rauschend unterm Kiele
Von Perlen eine Schnur,
Ach, unter solchem Spiele,
Wie froh sie mit mir fuhr!

- Plenira, hub ich an,
Wie bin ich dir verpfändet.
Dich hat als Gabe mir
Die ganze Welt gespendet.
Sieh, sieh nur um dich her,
Der Umwelt Ebenmaß
Auf einmal wie aus Glas,
Den Teich, von Silber schwer,
Die Wolken von Rubin,
Von Golde jedes Dach,
Erleuchteter Karmin,
Hält wie ein Feuerbach
Die Wasser rings im Arm,
Sieh drin die Fische springen,
Der Wasservögel Schwarm,
Das Zittern ihrer Schwingen.

Des Frühlings Wunder schauen
Uns lächelnd rings entgegen,
Die Matten grüner Auen
Uns untern Fuß zu legen.
Dort lacht das Echo auf,
Weil hier die Hörner tosen,
Hier flüstert Wasserlauf,
Dort atmen nur die Rosen.
Ein Windhauch fächelt leise,
Den das Gehörn nicht spürt.

Oh, welche Seelenspeise! -
So sagte ich gerührt,
Wie strahlt es überall,
Wie schön die Tempel stehen

Und sich im Wasser sehen,
Wie nah die Nachtigall!
Sie will zum Preise schlagen
Dem Liebstock und der Rose
Und scheint, die Hoffnungslose,
Dem Schöpfer Dank zu sagen,
Dem Zaren Dank daneben,
Dem Zaren, der gedenkt,
Dem Schöpfer, der das Streben
Nach Liebe in uns senkt.
Und du, beglückt sub rosa,
Des Frühlingstages Sohn,
Sing, Karamsin, in Prosa
Den Nachtigallenton!

Gawril Dershawin, 1791
in der Übersetzung von Dietrich Gerhard