Armenien ist ein Land der Gegensätze, Gastfreundschaft und Schroffheit, Liebe zur Musik und Rabis (billiger kommerzieller Pop), landschaftliche Schönheit und Umweltverschmutzung sind die Seiten der immer gleichen Medaille.
Kommt man als Gast zum ersten Male in dieses Land, ist man von der Schönheit des Landes, der Herzlichkeit der Menschen beeindruckt, nimmt den Alltag nicht wahr. So ging es mir, seit ich 1998 zum ersten Male nach Erivan kam. Fast war ich neidisch auf des reiche Kulturleben und genoss die Erfahrung, wie sehr die Armenier in ihrer Kultur verwurzelt sind.
Nun war ich zum 4. Male da, dann ist man nicht mehr so sehr Gast, man teilt auch das Leben mit den Freunden, den Alltag, sieht auch die weniger schönen Dinge deutlicher. Der Blick wird genauer und die grossen Veränderungen springen umso mehr ins Auge.
Erivan ist eine junge Stadt, das Stadtbild wurde erst im 19. Jahrhundert geprägt und im 20. Jahrhundert immer wieder und wieder umgekrempelt.
Fast könnte man meinen, das Land, die Stadt seien unter die Wölfe gefallen. Private Bereicherung, unrechtmässige Aneigung öffentlichen Eigentums, Zerstörung von ganzen Innenstadtbereichen um vielfach verschachtelten Baukonzernen den Platz freizuräumen für gesichtslose Spekulations-Objekte wie Luxus-Wohnungen oder Bürohäuser - das ist das, was heute geschieht.
Korruption wird überall augenfällig, denn das alles kann nicht mit "rechten Dingen" zugehen: Hochhäuser werden in die Hinterhöfe der Mashtots-Avenue gebaut, bei den kommunalen Wahlen ist es ein offenes Geheimnis, dass die Wähler gekauft werden (5ooo DRAM pro Stimme), ganze Wälder werden abgeholzt obwohl das verboten ist...
Und das öffentliche Bewusstsein? Schulterzucken und galliger armenischer Humor.
Jeder kennt die Namen der Oligarchen, die Autonummern die vor den Polizeikontrollen schützen; Korruption wird in steigendem Maße von der jungen Generation akzeptiert, die die Vorteile der Korruption im Alltag herauskehrt.
Es heißt zwar, dass die historischen Gebäude alle wieder aufgebaut werden sollen, in einer Strasse! Die Erivaner wandeln ihre eigene Geschichte skrupellos in ein Disney-Land um!!!
Ein Café reiht sich hier an das andere, ein Baum nach dem anderen stirbt ab, weil der Boden terrassiert wird, keine Parkbank findet man mehr, auf der man sich ohne zu konsumieren niederlassen könnte, und keine Ruhe wird dem Bürger mehr gelassen.
Auf 300 Einwohner der Stadt kommt ein Café - eine Dichte, wie man sie sonst nur in den Zentren des Massentourismus in Spanien kennt.
In der (Online-)Presse:
Armenianow.com berichtet
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und bietet ein Online-Forum ||
ebenso wie Hetq
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und A1plus
über den Namensgeber der Halle, Solomon Komitas, gibt die Seite www.komitas.am Auskunft