Auf dem Newski Prospekt wurden die Fahrbahnen gesperrt und die Medien fuhren etliche Übertragungswagen und Reporter-Teams auf. Blasmusik erklang und einige Tausend Soldaten folgten fahnenschwenkend der Kapelle, zu Fuß auf Schützenpanzerwagen oder Jeeps.
Angeführt wurde die Parade von ordensgeschmückten Kriegsveteranen, die wie in schon vielen Paraden zuvor, ernst und stolz marschierten. Alle anderen Beteiligten waren fröhlicher gestimmt und jubelten, laute Hurra! - Hurra! - Rufe erklangen.
Etliche Wüdenträger koordinierten den Aufmarsch mit den inzwischen auch überall in Rußland genutzten Handy-Telefonen.
Die Soldaten waren sehr, sehr fröhlich, sie tanzten auf der Straße, rauchten, warfen ihre Kameraden in die Luft oder umarmten ihre Mädchen.
Ich mischte mich unter die Menge und fotographierte eifrig. Niemand hatte etwas dagegen, einige kamen direkt auf mich zu, winkten mir in die Linse und forderten mich mit großen Gesten auf, mitzumarschieren.
Sehr gemischte Gefühle stiegen in mir hoch. Hatte ich doch die immer deutlichere Militarisierung des russischen Alltags in dieser Zeit des Tschetschenien-Krieges wahrgenommen, mich unter anderem über Glücksrad-Sendungen aufgeregt, in denen Moderatoren wie Kandidaten in Soldaten-Uniform auftraten, nun war ich auf einmal von einer Euphorie umgeben, die in ihrer direkten Fröhlichkeit sehr ansteckend auf mich wirkte, der ich aber nicht nachgeben wollte.
So mußte die Stimmung auf Deutschlands Straßen im August 1914 gewesen sein, am Tag der Mobilmachung, gerade einmal vor 86 Jahren (welche Koinzidenz der Ereignisse, ich bemerke diese Übereinstimmung erst jetzt beim Verfassen dieser Seite...)
